Viamonda Reisejournal

Andalusien: Eine Reise durch Spaniens südlichste Region

Andalusiens Stolz ist seine Geschichte. Und sein Wein. Und sein Schinken. Und der Flamenco. Das Land ist so reich an Kulturschätzen wie seine Menschen an Humor.

Eine Reportage von Thomas Compagno, Coop  Zeitung, Ausgabe Nr. 7 im Februar 2018

Fotos: Getty Images, Thomas Compagno, Fotolia, Alamy

Der Autor reiste auf Einladung von Vögele Reisen nach Andalusien.

Ronda, Andalusien Spanien

Andalusien. Der südliche Zipfel Spaniens. Eingegrenzt zwischen Kastilien, Extremadura und Portugal. Aber dieser «Zipfel» ist doppelt so gross wie die Schweiz. Städte wie Málaga, Granada, Córdoba, Sevilla und Cádiz liegen in Andalusien, auch Jerez, Motorradfreunden ein Begriff. Ebenso die Sierra Nevada, ein über 3000 Meter hohes Gebirge und Spaniens südlichste Skisportarena. «An einem schönen Tag im Winter können die Leute aus Granada am Morgen Ski fahren gehen und am Nachmittag, nach etwa eineinhalb Stunden Autofahrt, im Meer baden», erzählt Nadine Wagner (51), eine Schweizer Reiseführerin, die seit über 20 Jahren in Andalusien lebt. Natürlich mache das kein Mensch, sagt Nadine Wagner, «aber man könnte!». Noch wichtiger als für den Skisport ist die Sierra Nevada für Spaniens Schinken, den Jamón Ibérico. Das zumindest findet José Luis Gonzáles (36), der in seinem Betrieb im Dorf Trevélez rund 50 000 Keulen des exklusiven Schinkens hängen hat.

Das Geheimnis des Pata Negra

Den klassischen Schinken mit der Bezeichnung Serrano finden Liebhaber von Rohschinken auf der ganzen Welt. Den edelsten und teuersten Schinken allerdings, den Bellota-Schinken mit dem Namen Pata Negra, den gibts nicht an jeder Ecke. Er stammt vom iberischen Schwarzhufschwein, das in seinem Leben mindestens einmal während drei Monaten durch die Wälder streifen durfte und sich dabei von Eicheln und Kräutern ernährte. Das gibt dem Fleisch und dem Fett, das zum Schinken gehört, eine sanft-weiche Konsistenz und einen besonderen, nussigen Geschmack. Die Gegend am südlichen Fuss der Sierra Nevada eignet sich vor allem wegen ihres Klimas für die Herstellung des spanischen Rohschinkens: «Nur hier, in der Albujara-Gegend auf rund 1500 Metern Meereshöhe, ist das Klima kalt und trocken genug», erklärt Gonzáles, «dass der Schinken während 14 bis 24 Monaten optimal und natürlich reifen kann.»

José Luis Gonzáles Andalusien SchinkenJosé Luis Gonzáles demonstriert, wie der spanische Rohschinken geschnitten wird.

Ganz entscheidend für den Geschmack des Schinkens, sagt José Luis Gonzáles, sei das Schneiden – eine Kunst, die geübt sein will. Gonzáles macht es gleich vor: Mit einem kurzen Messer bringt er zuerst einen senkrechten Schnitt an, dann schneidet er die Schwarte Stück für Stück weg und legt sie zur Seite. Man braucht sie später wieder, um den angeschnittenen Schinken zu bedecken. So hält er am besten. Dann nimmt Gonzáles ein langes Messer und führt es von vorne Richtung Bauch, um möglichst dünne Scheiben abzuschneiden. «Die Scheiben sollen nicht zu gross werden, ein bis zwei Finger lang sind ausreichend.» Bleiben sie nachher am senkrecht gehaltenen Servierbrett haften, ist der Schinken optimal. Für den spanischen Schinken werden übrigens die Hinter- und die Vorderbeine der Schweine verwendet. Der einzige Unterschied: An den Hinterläufen ist mehr Schinken dran.

Die «Neue Brücke» von Ronda

Ronda, Andalusien, SpanienDer Metropol Parasol, das neue Wahrzeichen Sevillas, gilt als grösste Holzkonstruktion der Welt. Sie führte zu öffentlichen Kontroversen.

170 Kilometer Luftlinie oder dreieinhalb Autostunden westlich von Trevélez liegt die Kleinstadt Ronda, deren Hauptattraktion die Neue Brücke ist, die Puente Nuevo. So neu, wie sie klingt, ist sie allerdings nicht. Sie wurde nach 42 Jahren Bauzeit 1793 fertiggestellt und überquert die enge, über 100 Meter tiefe Schlucht des Guadalevín-Flusses. Puente Nuevo heisst sie, weil es noch zwei ältere, niedrigere Brücken gibt, die die Schlucht weiter unten an flacheren Stellen überqueren. Im Bogen der Puente Nuevo liess sich einst ihr Baumeister eine Wohnung einbauen. Später sei dort das Gefängnis für die gefassten Bandoleros, die Wegelagerer, gewesen, erzählt der Stadtführer Juan Ruíz (59). Zuletzt beherbergte der Brückenbogen ein Restaurant. Das Problem war, witzelt Ruíz, dass die Banditen geblieben seien. «Man spürte es an den Preisen.»

Moschee mit geklauten Säulen

In etwas mehr als zwei Stunden ist man mit dem Auto in Córdoba, 120 Kilometer weiter im Norden und etwa in der Mitte Andalusiens. Córdobas Wahrzeichen ist die sogenannte Moscheen Kathedrale. «Es gibt auf der Welt grössere Kathedralen und schönere Moscheen», sagt Stadtführer Miguel Muñoz (49), aber keine hinterlasse bei den Besucherinnen und Besuchern tiefere Eindrücke als die Moscheen Kathedrale von Córdoba. Er sollte recht behalten. Das Sakralgebäude verblüfft tatsächlich. Wer es betritt, wähnt sich in einer Moschee. Hunderte von Säulen machen die Symmetrie des Baus offensichtlich. Sobald die Besucher ein paar Schritte weiter in die Moschee hinein machen, finden sie sich urplötzlich in einer Kathedrale wieder. 1236 eroberten die Christen die einstige Hauptstadt des Kalifats Córdoba zurück und weihten die Moschee gleich zur Kirche. 300 Jahre später, im 16. Jahrhundert, entstand dann mitten in der Moschee eine Kathedrale. Die ursprüngliche Moschee stand auf über 1000 Säulen. Von diesen 1000 Säulen stehen heute noch 856, die restlichen mussten für die Kathedrale weichen. Frevel der Christen damals? Oder Rettung der Moschee als Teil der Kathedrale? «Die Antwort ist Ihre persönliche Meinung», sagt Muñoz. Die 1000 Säulen wurden von den Muslimen, die in Córdoba seit dem Jahr 755 herrschten, im Übrigen nicht extra angefertigt. «Man nahm Säulen von anderen Gebäuden, die kaputt waren», erzählt Stadtführer Muñoz, «oder man fand sie sonst wo. Viele hat man gefunden, bevor der andere sie vermisst hat», meint Muñoz mit einem Augenzwinkern. «Das heisst, man klaute sie zusammen.»

Trevélez Siera NevadaDas Örtchen Trevélez in der Sierra Nevada liegt auf 1500 Metern über Meer. Hier sind die klimatischen Bedingungen ideal für einen der besten Rohschinken der Welt.

Die grösste Kathedrale Spaniens und die drittgrösste der Welt steht in Sevilla Auch sie wurde auf dem Fundament einer Mosche erbaut, der Glockenturm, die Giralda, wurde auf das bestehende Minarett draufgesetzt. Von Sevilla aus regelte Spanien den Handelsverkehr mit Amerika, was der Stadt grosse Einnahmen bescherte. Ein Reichtum, den man Sevilla noch heute ansieht. Rund um den Königspalast wachsen viele Bäume in akkurat angelegten Gärten, darunter, wie in vielen Städten Spaniens, Bitterorangen-Bäume. Die sehen zwar hübsch aus, ihre Früchte sind jedoch ungeniessbar – ausser, man verarbeitet sie zu Bitterorangenmarmelade. Die schmeckt den Spaniern zwar auch nicht, aber dafür haben sie eine elegante Lösung gefunden: Sie exportieren die für sie grauslige Ware nach England, denn die Briten stehen auf den bitter-süssen Brotaufstrich. «Das ist unsere Rache für Gibraltar», sagen die Spanier dazu, wenn man Stadtführer Manuel Pineda (58) glauben mag.

 

Moscheenkathedrale in Cordoba, Andalusien Die Kathedralmoschee oder Moscheenkathedrale von Córdoba ist eine der grössten Sakralbauten der Erde.

Andalusien: Gut zu wissen

  • Ronda: Maurisch geprägte Altstadt. Bekannt ist die Puente Nuevo über die 100 Meter tiefe Schlucht.
  • Granada: 240 000 Einwohner, davon 60 000 Studenten. 1492 als letzter muslimischer Herrschaftssitz durch die Christen zurückerobert. Berühmt ist vor allem die muslimische Festung, die Alhambra.
  • Córdoba: Das Juwel der Stadt ist die einmalige Mezquita-Catedral, die Moscheenkathedrale. Córdoba war Hauptstadt der römischen Provinz Córdoba und später des Kalifats Córdoba, das rund zwei Drittel der iberischen Halbinsel umfasste.
  • Sevilla: Sevilla besitzt neben Venedig und Genua eine der grössten Altstädte Europas. Weil der Guadalquivir-Fluss bis Sevilla befahrbar war und ist, wurde der Handel mit Amerika von Sevilla aus verwaltet.
  • Flamenco: Bezeichnung für eine Art von Musik und Tanz aus Andalusien. Er vereint Einflüsse unterschiedlicher Kulturen und gehört seit 2010 zum immateriellen Kulturerbe.
  • Wein: Andalusien ist bekannt für süssen oder etwas herben Malaga und für Weissweine aus der Traubensorte Pedro Ximenez. In Jerez wird er aufgrund des Klimas süsser. Die Engländer nennen ihn Sherry, weil sie Jerez nicht aussprechen konnten.
  • Schinken: Der typische spanische Rohschinken, der «Pata Negra», stammt vom iberischen Schwarzhufschwein. Er reift zuerst zwei Wochen in Meersalz, dann wird er gewaschen und getrocknet.
  • Tapas: Die kleinen Häppchen, die Tapas, sind inzwischen auch bei uns gang und gäbe. Warum die Spanier sie erfunden haben, ist unklar. Eine Theorie besagt, dass man das Glas früher mit einem Stück Schinken oder Käse zugedeckt hat, damit die Insekten nicht reinfallen. «Tapar» heisst zudecken.

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