Kuba – Die Perle der Karibik
Reisebericht aus einem wunderschönen Land in spannender Entwicklungsphase
Sind Sie auch schon mit Edelweiss Air geflogen? Dann kennen Sie das Gefühl: Nach zuvorkommendem Bordservice geniessen Sie beim Verlassen des Flugzeuges noch ein feines Edelweiss-Biberli. Welches dieses Mal allerdings auf den Zähnen kleben bleibt, als wir am 27. April bei feucht-heissen 35 Grad aus dem Flugzeug hinaus in die Tropensonne treten. Nach rund 100 Metern Spaziergang über das Rollfeld und zügiger Passkontrolle stehen wir in wenigen Minuten bereits erwartungsvoll vor dem Gepäckband im Terminal 3 von Havanna. «Das wird jetzt schnell gehen, schliesslich sind wir das einzige Flugzeug und der Weg zum Gepäckband ist sehr kurz!» frohlocken wir. Falsch gehofft. Zum ersten Mal werden wir mit den manchmal unerklärlich langsamen Abläufen konfrontiert, welche uns auf Kuba immer wieder dazu zwingen, einen Gang runter zu schalten, zu entspannen und unsere «Qualitäts-Standards» deutlich hinter uns zu lassen. «Slow down! Tranquilo!»
Nach gut einer Stunde sind wir im Besitze unseres Gepäcks, werden vom Vertreter von Vögele-Reisen herzlich empfangen und sind schon bald im Hotel in der Altstadt von Havanna. Ein erster Rundgang lässt uns staunen – was für eine lebendige und kontrastreiche Stadt! Was für ein Lärm – Musik überall, rufende Strassenverkäufer, Velo-Taxis mit grossen Lautsprechern bestückt, spielende Kinder, keifende Mütter, hupende Taxis… An den Abgasgeruch von alten Motoren müssen wir uns zuerst wieder gewöhnen – Kindheitserinnerungen werden wach. Zum Glück gibt es so viele Elektro-Roller und so wenig Autos – im Verhältnis zu den vielen Menschen, welche zu Fuss und auf Velos unterwegs sind.
Schnell werden wir im gepflegten Touristenviertel Havannas mit den gängigen Klischees konfrontiert: wunderbare alte Autos, üppige Kolonial-Architektur durchsetzt mit Art Deco-Fassaden, bunt und oft recht freizügig bekleideten Menschen, Rum, Zigarren und tolle Bars und Restaurants mit Musik und ausgelassener Atmosphäre. Fotomotive an jeder Strassenecke, wunderbar ruhige und überraschend reiche Innenhöfe.
Das Kapitol in Havanna
Nach wenigen Gassen und Plätzen mit restaurierten Fassaden dann aber die andere Realität: abgestützte, baufällige alte Kolonialbauten, eingefallene Fassaden, improvisierte Baustellen. Seit zwei Jahren dürfen bestimmte Berufe privat ausgeübt werden – da gibt es z.B. die unzähligen Velo-Taxis, die teilweise mit übergrossen Lautsprechern bestückt mit ihrer Lieblingsmusik (in der Regel «Reggaeton») durch die Gassen fahren und um Fahrgäste buhlen. Eine der Möglichkeiten für Kubaner, an die begehrten «CUCs» (Convertibel Pesos) zu kommen, mit denen auch importierte Waren gekauft werden können. Durchaus sinnvoll, diese tüchtigen Kleinstunternehmer zu unterstützen. Allerdings: Wer den Preis nicht vor der Fahrt verhandelt, ist selber schuld…
Das intensive und laute Stadtleben kontrastiert mit eindrücklichen, ruhigen Naturlandschaften. Ein Abstecher ins berühmte Tabak-Anbaugebiet und UNESCO Weltnaturerbe von Viñales lohnt sich in jedem Fall. Ein schmuckes Dorf, wo hunderte von Häuschen inzwischen herausgeputzt und privat als «Casa Particulares» betrieben werden (vergleichbar mit Bed&Breakfast). Touristische, aber hübsche Restaurants und Bars laden zum Verweilen ein – ein besonderer Genuss nach unserer interessanten Exkursion auf dem Pferderücken zu lokalen Tabakbauern.
Vinales Tal
Auf der sechsspurigen (!) Autobahn kommen Sie recht bequem ins zentrale Kuba – nach Cienfuegos, Trinidad und Camaguey. Mit dem wenigen und eher gemütlichen Oldtimer-Autoverkehr ein Genuss. Allerdings ist höchste Konzentration angesagt: Unerwartete Belagslöcher allenthalben, Landstrassen, die ohne Unter- oder Überführung (dafür reichten die Mittel nicht) die Autobahn kreuzen, Ochsenkarren, Pferdekutschen, Velofahrer, welche gerne auch auf der ersten Spur in Gegenrichtung unterwegs sind. Und die lokalen Bauern tragen ihre Produkte – Gemüse, Früchte oder Käse – schon mal gefährlich weit in die Strasse hinaus, um passierende Autos auf sich aufmerksam zu machen.
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, welche nach der Revolution der wichtigste Abnehmer der kubanischen Agrarwirtschaft wurde, folgte auch der Zusammenbruch vieler Staatsbetriebe auf Kuba. Immer wieder beeindrucken im Zerfall befindliche Industriebetriebe irgendwo draussen auf dem Land. Und immer wieder trifft man auf die übergrossen Tafeln mit Revolutions-Slogans, Durchhalteparolen und den idealisierten Köpfen von Ché Guevara oder Fidel Castro. In Gesprächen mit den jüngeren Generationen wird schnell klar, dass man die Geschichte und ihre Exponenten zwar durchaus bewundert und respektiert, aber es ist eben Geschichte und nicht das heutige Leben. Und für viele fehlt die klare Perspektive, wie es genau weitergehen soll. Auch wenn Fidels Bruder Raoul Castro seit ein paar Jahren diverse sanfte «Liberalisierungen» eingeführt hat, die hier und dort kleine Lichtblicke bringen – zumindest für den zaghaft aufkommenden privaten Sektor.
Auf dem Weg zur sehenswerten Hafenstadt Cienfuegos kommen wir an der berühmten Schweinebucht vorbei, entlang eines riesigen Naturschutzgebietes. Noch nie in meinem Leben habe ich so viele grosse Krabben gesehen – und zwar auf der Strasse, im Wald und hinter jedem Stein – nicht im Meer. Dort legen sie ihre Eier und migrieren dann während der Regenzeit im Mai/Juni in unglaublichen Mengen zurück in den Wald. Ebenfalls in diesem Gebiet kann man mit etwas Glück den kleinsten Vogel der Welt sehen: Es ist ein Kolibri namens «Zunzuncito». Die Fotoversuche scheitern kläglich bei diesem nervösen Winzling, dafür kriegen wir den wunderschönen «Tocororo», Kubas Nationalvogel, «touristengerecht» vor die Linse.
Krabbe
Nun entdecken wir das eigentliche Juwel der vielen attraktiven Kolonialstädte: Trinidad. Herrlich gelegen zwischen dem nahen Meer und der üppig grün überwachsenen Bergkette Sierra Escambray liegt dieses im Zentrum geschmackvoll restaurierte Kleinstädtchen, ein weiteres UNESCO Weltkulturerbe.
Fotomotive auf Schritt und Tritt – die herrlichen Innenhöfe zeugen vom unglaublichen Reichtum, welcher vor allem der nahegelegenen ehemaligen Zuckerindustrie entstammt. Interessante Zeugen dieser Geschichte lohnen einen Besuch. Nach der anstrengenden Wanderung zu einem Aussichtspunkt über der Stadt geniessen wir auf der Dachterrasse eines der vielen Restaurants die Abendsonne, begleitet von den Klängen einer Live-Band, einer feinen Zigarre und einem erfrischenden Mojito.
Stadt Trinidad
Kubas wunderschöne Strände locken seit vielen Jahren leider auch den Massentourismus. So gilt Varadero z.B. bei den Kanadiern schon lange als «all inclusive» Paradies, entsprechend grosse Resorts mit hunderten von «erheiterten» Gästen an der Bar ist nicht unbedingt das, was die Schweizer Rundreisegäste auf Kuba suchen. Unbestritten schön ist jedoch der kilometerlange und palmengesäumte Strand. Erst langsam entsteht an gewissen Stränden auch ein Qualitätstourismus– neben weiteren «Mega-Hotelprojekten», die in den nächsten Jahren realisiert werden.
Last but not least berührt einem die Insel wegen den vielen liebenswürdigen Menschen, die sich mit Witz, Herzlichkeit und manchmal auch etwas Schlitzohrigkeit für die Touristen interessieren. Dass vieles versucht wird, um an die begehrten CUCs zu kommen, kann angesichts der unglaublich niedrigen Grundeinkommen auch für anspruchsvolle Berufe niemandem vergönnt werden. Und solange man respektvoll bleibt, wird auch ein «Nein» problemlos akzeptiert. Positiv fällt auf, dass es kaum Gewaltkriminalität gibt und man sich überall auch abends sehr sicher fühlt (natürlich provoziert man nicht mit Prestige-Uhren oder Schmuck). Das alles ist nicht selbstverständlich für ein armes Land. Beispielhaft für die unkomplizierte Hilfsbereitschaft bleibt uns die spontane Reaktion eines Dreirad-Taxifahrers in Erinnerung, der uns lachend mit seinem eigenen T-Shirt die Sitzbank trocknete, welche wegen eines kurzen Tropenregens klatschnass war.
Kubaner mit Pferdekarren
Viel wird sich noch entwickeln in den nächsten Jahren – vieles braucht aber deutlich mehr Zeit, als sich gewisse Projektplaner vorstellen. Nach wie vor sind die Importhürden riesig und die verfügbaren Güter im Land sehr limitiert. Einige touristische Hauptattraktionen werden sich zweifellos stark entwickeln – auch zum Guten, was gewisse Infrastrukturen anbelangt.
Aktuell ist Kuba keine Destination für Jedermann. Hohe Ansprüche an Komfort oder Perfektion im Service können noch kaum erfüllt werden, auch wenn bereits jetzt die Preisentwicklung nur in eine Richtung zeigt: nach oben. Doch wer interessiert und offen ist für ein faszinierendes Reiseland mit herrlichen Landschaften, freundlichen Menschen, einer pulsierenden Kultur mitten im Wandel, wunderbaren Kolonialstädten und palmengesäumten Traumstränden, wird auf Kuba glücklich werden.
Bei 35 Grad im Schatten steigen wir nur ungern in den wartenden Edelweiss-Flieger und schauen beim Abflug wehmütig auf ein liebgewonnenes Land zurück. Leicht ernüchtert steigen wir in Zürich bei kalten 9 Grad aus dem Flugzeug – mit dem Vorteil, dass dieses Mal das feine Edelweiss-Biberli die perfekte Bissfestigkeit hat…
Pascal Wieser, Geschäftsleiter Vögele Reisen 2013 – 2021